Habe mir eure Website
angeschaut. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich zur gleichen Zeit auf
der "Georg Büchner" war wie Gerhard (s. Kap. 03 - BÜCHNER). War Lehrling dort
von Juli 1972 bis Mai 1973, also auch die Weihnachtsreise. Unvergessen
wird mir ewig bleiben, wenn Kapitän Schickedanz mit Mütze unter dem
Arm in der Lehrlingsmesse jede Back einzeln begrüßt hat. Der Mann
hatte noch Stil.
Nicht vergessen werde ich ebenfalls das Gebrüll vom Lehroberbootsmann
Bilkowski morgens beim Appell: "Auch wenn Sie voms Abitur sind, ich
trete Sie in den Ar..."
Ich möchte noch weitere Eindrücke teilen, die mir bezüglich
"Büchner" so in Erinnerung geblieben sind. Ich war Anfang
Juli 1972 aufgestiegen. Damit waren die letzten Schulferien für mich
ausgefallen! Das war aber nicht schlimm, da ich heiß war auf Schiff und
Kuba. Bereits am 6. Juli 1972 musste ich also mit meinem Reisegepäck im
Speisesaal des Rostocker "Haus der Schiffahrt" antanzen. Dort
wurden die Lehrlinge in die Lehrklassen aufgeteilt. Ich kam in die VMA
3a. Außerdem wurden die Kammernummern mitgeteilt. Anschließend ging es
mit Bussen in den ÜSH auf die "Büchner". Das Schiff lag noch
etliche Tage dort. Sofort wurde mit uns ein Teil des Sicherheits-
grundlehrgangs trainiert.
Gewohnt habe ich in einer 2-Mann-Kammer Stb.-Seite ganz unten. (ABa:
Ausgerechnet auf der bekannten "Schlagseite"!) Das Bulleye zu
öffnen war riskant. Rasmus hat öfter mal reingeschaut. Besonders im
Sommer war es in der Kammer kaum auszuhalten ohne AC. Ich schlief immer
mit Nierenbinde halb nackig im Luftstrahl des Ventilators. Vor
Mitternacht war an Schlaf überhaupt nicht zu denken.
Beim ersten Betreten des Maschinenraumes habe ich fast einen Schock
bekommen. Da hüpften 16 Abgasschieber im Takt hoch und runter. Ich habe
in meiner langen Seefahrtskarierre, ich bin bis letztes Jahr (2018, c/e
Hamburg Süd) aktiv zur See gefahren, nie wieder so eine Maschine
gesehen. Doppeltwirkend, Gegenkolben - was für eine Konstruktion! - Der
ganze Maschinenraum war blau vom Abgas. Unvergessen werden mir die Nächte
im Separatorenraum bleiben. Ich war mehrere Wochen der 0-4-Wache
zugeteilt gewesen. Meine Aufgabe bestand darin, pro Wache einen
Brennstoffseparator zu öffnen, Trommel und Teller zu reinigen und
wieder zu montieren. Ich glaube, die 80 Teller habe ich Nachts im Schlaf
abgewaschen.
Eine Reise führte uns ausgehend zuerst nach Göteborg in die Werft.
Es gab ständig Probleme mit dem Umformer. Die "Büchner" war
ja noch ein Gleichstromschiff. In der Nordsee dann haben wir so richtig
einen auf den Arsch bekommen. Wir waren fast alle seekrank. Es gab
Lehrlinge, die wollten zu Fuß nach Hause gehen. - Damals habe ich zum
ersten Mal gesehen, dass eine der Nieten der Außenhaut weggeflogen war
unter dieser Belastung. Die Ings hatten für solche Fälle Holzpfropfen
parat, die dann in das Loch geschlagen wurden. Das Holz quoll auf, und
weg war die Leckage. Ich persönlich glaube auch, dass das Nietenproblem
zum Sinken des Schiffes (2013) geführt hat. Es war ja bei der Überführung
niemand an Bord.
Irgendwann im Herbst 1972 im ÜSH Rostock kam ich von der
Seediensttauglichkeit. Es war stürmisch. Als ich die "Büchner"
erreichte, sah ich den Brandschutzoffizier Stoffers auf der Gangway. Plötzlich
kam Reck in die Leinen, und die Gangway krachte zwischen Pier und
Schiff. Herr Stoffers schwamm im Rostocker Hafenwasser! Ich habe
daraufhin einen Rettungsring von der Pier ins Wasser geworfen. Der Mann
war kurze Zeit später aus dem Wasser gezogen. Nichts besonderes
eigentlich. Bei der Auslaufbordversammlung wurden dann die Beteiligten
von Kapitän Schickedanz wie Helden gefeiert. - Ich habe jetzt auf
meinem Dachboden einen Ordner gefunden mit frühen persönlichen
Dokumenten. Darin fand ich auch das Belobigungsschreiben bezüglich
des obigen Sachverhaltes, ausgestellt und unterschrieben von Kapitän
Schickedanz.
Das Schiff litt stets unter Wassermangel, da kein Verdampfer
vorhanden war. Zwei Tage vor Kuba wurde immer der Wasserverbrauch
reduziert. Es gab dann pro Nase nur noch einen Eimer Wasser. In Kuba
kamen sofort hölzerne Wasserbargen. So war es nicht verwunderlich, dass
auf einer Reise mehr als 50% der Besatzung Magen-Darm-Probleme hatten.
Es bestand Ruhrverdacht. Infolge dessen wurde das Schiff überall in
Quarantäne gesteckt. Niemand durfte das Schiff verlassen. Die Folge war
für uns Lehrlinge dreimal am Tag Klo-Reinschiff. "Drei Worte
wurden zum Idol: Pütz, Feudel und Fesiasol." ;-)
Ich kann mich noch gut an Star-Assi Tießen erinnern. Der kannte
jedes Ventil im Maschinenraum. Von den Lehrbootsleute erinnere ich mich
an Atze Peuss, Schröder und Korinth. Lehrer waren Herr Wendt und
Hochheim. Einen ganz wichtigen Berufschullehrer auf der Büchner möchte
ich nennen. Herr Schütt mit der rauchigen Stimme entstammt einer
Seefahrerfamilie. Sein Vater war Kapitän auf Typ-IV-Schiffen, war zu
Hause in der Rostocker Südstadt, unser Nachbar und ist uralt geworden.
Dann gab es damals noch die Sekretärin Lemme, die mit Atze Peuss
zusammen war. Ein schönes Mädel!
Eine Heimreise führte uns über Santander in Spanien und Rotterdam.
Ausgestiegen bin ich nach drei Kuba-Reisen im Mai 1973.
1999 hatte unsere VMA-Klasse von 1972 Klassentreffen im
Offizierssalon der "Büchner" - damals noch in Schmarl. Toller
Raum, alles mit Mahagonie getäfelt. Vor drei Jahren (2016?) wurde
dieses Treffen auf der "Likedeeler" wiederholt.
Das Schiff wurde ja 1951 bei John Cockerill in Hoboken gebaut.
Hoboken ist ein Stadtteil von Antwerpen. Ich war letztes Jahr (2018)
mehrere Tage dort. Die Werft gibt es nicht mehr. Dafür habe ich aber
die Ablegepier anschauen dürfen, von der die "Büchner"
damals noch als "Charlesville" als Kongodampfer nach
Westafrika ablegte.
Harald Mertin, Rövershagen, 6.9.2019
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