Am 1. August 1972 stieg ich
auf M/S "Georg Büchner" auf und am 14. Mai 1974 wieder ab. In
den fast zwei Jahren sollte aus mir ein Seemann werden.
Was ich bisher von Decksarbeit glaubte zu wissen, war gar nichts
gegen das, was nun kommen sollte. Zuerst das Ladegeschirr. Was hatte ich
bis jetzt mit Hangerketten, Faulenzern, Preventern, stehendem und
laufendem Gut, Lukenabdeckungen, Scherstöcker, Handdeckeln usw. zu tun?
Vom Spleißen, Labsalben, Nähen und den vielen anderen Decksarbeiten
ganz zu schweigen. Aber so nach und nach fand ich mich zurecht.
Das Schöne, oder besser, das Positive der Fahrenszeit auf der
"Büchner" war meine Ausbildung zum Vollmatrosen. Alle Lehrer
und Ausbilder waren sehr bemüht, uns bei der Ausbildung zu helfen. Zu
nennen wäre hier nur unser Englischlehrer "Mister Baguhl". Er
hat es mit uns nicht sehr leicht gehabt. Wir waren drei (neben mir die
beiden Zimmerleute Pitie und Germann), die ihren Vollmatrosen
nachmachten.
Trotz der vielen Arbeit war es doch eine schöne Fahrenszeit auf dem
Schiff. Vielleicht erinnert sich noch jemand an diese Zeit. Hier noch
einige Namen, die mir so einfallen: Kapitän Schickedanz, Kapitän
Rusch, I.NO Bollmann, I.NO Rohmann, II.NO Bienasch, II.NO Ahrens, III.NO
Preis, dann die Funker Sander & Schöps, die Maschinengang mit Chief
Dräger an der Spitze und Storekeeper Nehring sowie E-Mix Susi
Bischhoff, desweiteren das Wirtschaftspersonal, da nur einige Namen:
Ingrid, Kerstin, Steffi, Tamara, Uschi, Chefkoch Riedel, Frau Prosche,
außerdem Kabelgeist Prosche, Bootsmann P. Wilke, Mazilger, Feldwebel
und Frau Mazilger, und nicht zu vergessen Obersteward Herr Molch sowie
Herr Lewin. Auch hier Entschuldigung bei den nicht genannten, den
Lehrern Schütt, Schrörr, und Ausbildern, beim Arzt Dr. Fulda und
Krankenschwestern, bei der Sekretärin, die meine Facharbeiterarbeit
abgetippt hat, und bei Purser Langer.
Auch wenn es immer nur nach Cuba ging, war es doch eine schöne Zeit.
Denn jede Reise war anders und Cuba hatte ja viel zu bieten, z.B. den
Seemannsclub, das "Tropicana", den Strand von Varadero, die
vielen Ausfahrten in die reizvolle Umgebung. Die freundlichen,
hilfsbereiten, netten Menschen werde ich wohl nie vergessen. Hatte ich
mich doch einmal in Havanna verlaufen und war nicht im Hafenviertel,
sondern gegenüber im Stadtteil "Regula????" angekommen. Aber
ein freundlicher, netter Bewohner von Havanna schrieb einen Zettel, den
ich jedem Busfahrer zeigte, und so fand ich doch noch nach langer Zeit,
am frühen Morgen, meine "Georg Büchner" wieder.
Gerhard, Rostock, 13. Januar 2006

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Während Gerhards letzter
Reise mit der BÜCHNER war ich ebenfalls an Bord, allerdings als
D-Deck-Bewohner mit einem anderen Tagesablauf. Und so hatten Gerhard und
ich kaum persönliche Berührungspunkte. Ich erlebte als Lehrling meine
ersten zwei Reisen bei der DSR, über die ich ziemlich ausführlich in
den BORDGESCHICHTEN VI berichten durfte. Aus meinem Online-Album
lest ihr hier ABa's
Büchner-Bericht. Gerhard und ich trafen Ende 1974 auf der FRIEDEN
wieder aufeinander. Und 2002 fanden wir uns Dank des Internets im Rahmen
des Vereins "Typ IV Fahrensleute e.V." wieder.
Nachtrag: Ja, die Werft John Cockerill in Hoboken existiert schon
seit einiger Zeit nicht mehr, aber auf genau dem Gelände der Werft ist
FABRICOM (Teil von "Engie-" usw.) im Gange und baut Strukturen
für Offshore-Windparks, wie ich nach meinem Einstieg bei EnBW Ende 2017
im Chilehaus in Hamburg feststellte. Das Trockendock(becken), in dem das
Schiff gebaut wurde, ist wohl noch vorhanden. Ich denke, dass die
Belgier dieses Becken als Museum aufbereiten wollten, mit der
CHARLESVILLE. Zur Zeit wächst Grünzeugs drinnen. Aber sie haben eigene
Probleme mit der Vergangenheit. War doch dieses Schiff ein Teil ihrer
kolonialen Zeit mit all den Gräueltaten ...
Übrigens, diese unsere alte Lady hätte das Verbringen nach Antwerpen
auf diese Art ebensowenig überstanden!
ABa, Hamburg, 13.12.2007, 8.8.2011,
22.9.2019

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